Kult um ‚The Queue‘

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Wimbledon ist das prestigeträchtigste Tennisturnier der Welt. Damit das so bleibt, halten die Veranstalter an zahlreichen Traditionen fest – von Erdbeeren mit Sahne über die Länge der Grashalme bis hin zum Schlange stehen.

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Der Mythos von Wimbledon speist sich aus der Tradition. Diese wird bei dem zweiwöchigen Turnier im Südwesten Londons groß geschrieben. Es ist das das prestigereichste unter den vier großen Grand-Slam-Turnieren. Immerhin hat es seinen Ursprung im 19. Jahrhundert und bis heute schwärmen Spieler und Fans vom besonderen Charme des „heiligen Rasens“, dessen Gras auf exakt acht Millimeter geschnitten ist – dort, wo Boris Becker zum 17-jährigsten Leimener aller Zeiten wurde. Der All England Lawn Tennis and Croquet Club tut viel dafür, an diesem Ruhm festzuhalten, manchmal lässt sich in der Royal Box sogar Königin Elisabeth II. blicken.
Nur in Wimbledon sind die Spieler verpflichtet, weiße Kleidung zu tragen und nachdem in den vergangenen Jahren etwas der Schlendrian eingezogen ist, soll in diesem Jahr der Dresscode wieder strenger beaufsichtigt werden. Mindestens 90 Prozent der Spielkleidung muss in Weiß gehalten sein, was früher schon mal dazu führte, dass Andre Agassi der piekfeinen Sportveranstaltung ferngeblieben ist.

Die Tatsache, dass am „Middle Sunday“, also dem in der Mitte liegenden Sonntags des zweiwöchigen Turniers, ein Ruhetag eingelegt wird, klingt für viele aufgrund des oft regnerischen englischen Wetters als ein veraltetes Ritual. Doch Tradition bleibt Tradition. Erst drei Mal in 137 Jahren wurde an dem Pausentag gespielt, weil der Regen an den Tagen zuvor kaum ein Spiel erlaubte.

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Überteuert, aber stilvoll geht es an den Essenständen zu. Der berühmteste Snack in „Boris Beckers Wohnzimmer“ ist seit 1877 ein Schälchen Erdbeeren mit Sahne. 28 Tonnen der Früchte werden pro Sportveranstaltung verspeist und 7000 Liter Sahne gibt es gleich dazu. Die Früchte kommen von der Hugh Lowe Farms in der Grafschaft Kent. Um die Erdbeeren extrafrisch zu servieren, werden die meisten Früchte ab 5 Uhr morgens gepflückt und am selben Tag noch auf dem Gelände an die Zuschauer verkauft.

Doch das allerwichtigste im Mekka des weißen Sports ist das Schlange stehen. Das berühmte Hobby der Engländer wird in Wimbledon fast schon zelebriert. Auf Schildern und Plänen werden die verschiedenen „queues“ beschrieben, es gibt sogar einen Verhaltenskodex fürs Schlange stehen. Und so haben Fans auch noch während der zwei Wochen gute Chancen auf Center-Court-Karten, indem sie sich anstellen. An der Church Road, gegenüber von Tor 1, ist die Ticketschlange und was sich so simpel anhört, ist ein hochkomplexes System, das mit britischer Disziplin durchgesetzt wird. Früher schliefen Tennisverrückte noch auf dem Gehsteig, heute sind Parzellen eingerichtet, um den Ansturm von zigtausend Fans in eine Ordnung zu bringen. „Das ist das fairste System“, sagt eine der Wächterinnen der Zelt-Schlange. Hier campen Tennisbegeisterte bereits ab den frühen Morgenstunden, um für den Folgetag Karten für den Center Court zu ergattern. In fein säuberlichen Reihen haben sie ihre Zelte hintereinander aufgestellt und harren aus. Am nächsten Morgen werden sie dann von den Stewards geweckt und zum Anfang der eigentlichen Schlange geführt – drei Kilometer entlang des Wimbledon Golf Clubs bis zum ersehnten Kassenhäuschen. Wer nicht campen will und am frühen Morgen kommt, wird von der U-Bahn-Station Southfields per Tafeln, auf denen „The queue“ steht, zur Schlange geleitet.

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Das Zelt aufzustellen und wieder zu gehen, ist im Übrigen nicht erlaubt. Das sei „nicht fair“, so ein Steward. Bei genauerer Überlegung würde es an deutsche Urlauber erinnern, die am Morgen im Hotel ihre Liegestühle mit Hilfe von Handtüchern reservieren. Wimbledon aber will britisch bleiben. Der Kult der Schlange gehört dazu.

2 Kommentare

  1. Ist das Bild in der Mitte etwa die königliche Loge mit Katrin, Duchess of Ludwigsbourgh und dem Duke of Freehill on the Neckar? Sehr schön!

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