Tee statt Martini

Tregothnan3

Die Briten sind berühmt für ihre Teezeit, das Teetrinken ist Teil der britischen Kultur. Dabei stammen die Wurzeln aus China. Dass Tee dennoch auf heimischem Boden angebaut werden kann, zeigt das Landgut Tregothnan in Cornwall: Es ist die einzige Teeplantage auf der Insel.

*

Am liebsten würde er James Bond den Martini aus der Hand nehmen und dem Filmagenten eine Tasse Tee reichen – britischen Tee, versteht sich. Jonathan Jones wandert durch den Garten von Tregothnan im Südwesten Englands. Der Landschaftsgärtner arbeitet heute als Geschäftsführer auf dem Landgut, das sich in der Nähe von Truro in der Grafschaft Cornwall hinter schmalen Straßen und hohen Böschungen versteckt. Nicht weit vom glitzernden Meer entfernt atmen hier Rhododendren ihren besonderen Duft aus, ein Teich liegt umrahmt von farbenfrohen Blüten und exotischen Bäumen im Talgrund und ein kleiner Pavillon mit Pagodendach versprüht japanischen Charme. Am Hang sonnen sich Dutzende Teesträucher und warten auf die nächste Ernte im August. Ist das England? Es ist Cornwall und Jonathon Jones möchte die berühmte englische Tradition auch in der Heimat verwurzeln: Tregothnan ist die erste und einzige Teeplantage auf der Insel.

Die Teezeit, die „tea time“, stellt für die Briten nicht nur ein eingeborenes Ritual dar, das Teetrinken gehört zur Lebensart und Kultur und ist Teil der britischen Identität. Am Morgen ein „lovely cup of tea“ genauso wie am Nachmittag, dazwischen darf der Wasserkessel aber gerne auch aufgesetzt werden. „Es entspannt und erregt gleichermaßen“, erklärt Jonathon Jones das Besondere des Nationalgetränks. Im Durchschnitt werden im Vereinigten Königreich jedes Jahr mehr als zwei Kilogramm Tee pro Kopf konsumiert. Doch obwohl der Tee eine lange Tradition auf der Insel hat und Touristen gerne ein Päckchen als Souvenir mit nach Hause nehmen, seine Wurzeln stammen ganz woanders her. Holländische Händler brachten den Tee vor mehr als 350 Jahren aus China nach England. Und seitdem wird das Nationalgetränk aus dem fernöstlichen Land sowie aus Indien und Sri Lanka importiert. Zwar gab es Versuche während des Zweiten Weltkriegs, Tee auf heimischer Scholle anzubauen, doch aus Bequemlichkeit und Kostengründen wurden sie schnell wieder verworfen.

Erst 1999 kam der damalige Chefgärtner Jonathon Jones auf die Idee, die Sträucher auf britischem Boden wachsen zu lassen. Immerhin bietet die Natur im Südwesten des Königreichs die erforderlichen Gegebenheiten: Der Boden ist sehr sauer, das Land hügelig, die Luft feucht. Dazu sind die Winter aufgrund des Golfstroms mild und der mediterrane Einfluss lässt sich leicht an der Flora ablesen. Eine der beiden Urpflanzen des Tees, die Camelia Sinensis, wächst bereits seit mehr als 200 Jahren auf Tregothnan – ein Zeichen, dass Tee auf englischem Boden gedeihen kann. Jones begann mit dem Anbau original chinesischer Teesträucher. 2005 wurde der Tee zum ersten Mal verkauft und nun soll er um die Welt gehen. Dabei gehe es nicht nur um das Getränk, so Jones. „Viel dreht sich darum, die Erfahrung zu machen, wie wir Tee trinken.“ Dafür werden Kurse angeboten und es entstehen in naher Zukunft Teehäuser in Berlin, London, New York und Shanghai, die jedoch von langweiligen Traditionen entstaubt werden und cool und zeitgenössisch daherkommen sollen.

Neben verschiedenen Teesorten – darunter auch Darjeeling, der als „Champagner des Tees“ bezeichnet wird, werden auf dem Landgut noch Pflaumenmus, Likör, Saft und Kekse produziert, Bienen gehalten und Ferienhäuser vermietet. Während der Umsatz 2013 umgerechnet 1,5 Millionen Euro betrug, erwartet Jonathon Jones für dieses Jahr 2,5 Millionen Euro. Seine weiteren Pläne? Da mehr als 99,9 Prozent einer Tasse Tee aus Wasser bestehen und dieses wichtig für die Qualität des Tees sei, findet Jones es eine logische Folge, irgendwann auch Wasser zum Teemachen aus der lokalen Quelle anzubieten.

Tregothnan gehört dem Honourable Evelyn Arthur Hugh Boscawen, der im Schloss mit seiner Frau Catherine und drei Kindern lebt. Viele würden behaupten, dass der Schritt zum Teeanbau logisch war, denn er ist ein Nachkomme des britischen Premierministers Earl Grey, nach dem der Schwarztee mit dem feinen Aroma der Bergamotte-Orange benannt ist. Boscawen gehört laut englischen Medien zu den reichsten Erben auf der Insel.

Doch nicht nur das Anwesen, auch der Preis wirkt hoheitsvoll. Die Lohnkosten sind im Vergleich zu Niedriglohnländern wie Indien oder China hoch. Das spüren die Liebhaber des Aufgussgetränks. Während die Briten für eine Tasse Tee aus dem Supermarkt umgerechnet etwa 2,5 Cent bezahlen müssen, kostet der Tregothnan-Tee etwa 50 Cent pro Portion. „Das ist im Vergleich zu Kaffee noch immer ungeheuer günstig“, so Jones, der beim Wort Teebeutel die Augen verdreht und diese mit Instant Kaffee gleichsetzt. Doch obwohl die Briten verrückt nach Tee sind, geben sie pro Person weniger dafür aus als die Deutschen.

Tregothnan muss sich noch immer gegen Vorurteile verteidigen. Selbst Prinz Philip, der Ehemann von Königin Elisabeth II., reagierte mit Erstaunen, als er vom Anbau englischen Tees hörte. Am 1. August kommt er deshalb auf eine kleine „tea time“ vorbei.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.