Paradies im Supermarkt

Convenience food

Das englische Essen und ich werden in diesem Leben keine Freunde mehr. Dafür bieten die britischen Supermärkte Fertiggerichte vom Feinsten.

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Die englische Küche muss in der ganzen Welt viel Spott ertragen, was die Engländer not a bit verstehen können. Wer einen Briten auf die, excuse me, meist langweilig schmeckenden, oft fettigen Gerichte anspricht, erntet nur Kopfschütteln. Und eine Einladung. Solch einen schlechten Ruf wollen sie nicht auf sich sitzen lassen. Letzte Woche saß ich mal wieder bei einer Dinnerparty und voller Stolz servierte mein englischer Bekannter einen für die Insel typischen Pie. In einer Gebäckhülle versteckte sich eine Füllung aus Hackfleisch und Pilzen. „Das ist wirklich englisches Essen“, stimmten die britischen Gäste zu. Während alle genüsslich die ersten Bissen nahmen und den Gastgeber mit Lob überhäuften, habe ich mich mal wieder gefragt, ob mit meinen Geschmacksnerven noch alles in Ordnung ist. Der Pie war trocken wie die Wüste Gobi, dazu ungewürzt und fad. Ich lächelte, lobte und ließ ihn zur Hälfte liegen.

Wir werden einfach keine Freunde in diesem Leben – ich und die Pies, Roastbeefs, Yorkshire Puddings und warmen Bohnen in Tomatensoße. Aber London ist zum Glück eben nicht einfach nur eine Stadt, sondern fühlt sich manchmal wie eine ganze Welt an. Restaurants aus Guadeloupe und Venezuela, aus Südindien und Russland, aus dem Libanon und Eritrea: Es gibt keinen Flecken Erde, der kulinarisch nicht in der Metropole abgedeckt ist.

Das wahre Paradies versteckt sich in Supermärkten. Natürlich gibt es Warenhäuser, die genauso auch in Deutschland oder Frankreich stehen könnten. Doch London ist der Garten Eden für Menschen ohne Zeit und Kochlust, aber mit Geschmack und Gesundheitsbewusstsein. In keinem Land Europas verzehren mehr Menschen Fertiggerichte als in Großbritannien, es ist also kein Wunder, warum Supermärkte auf diesen Trend setzen. Manche Läden verkaufen sogar lediglich Fertiggerichte, portionierte Obst- und Gemüseboxen, Gerichte zum Aufwärmen oder Sofortessen. Ich habe bislang in keinem Restaurant so gute Salate gefunden wie in einigen dieser Läden und sogar der Inder aus dem Kühlschrank ist besser als der um die Ecke. Günstig ist das nicht, aber passt in die schnelllebige Zeit, in der das Einkaufen oft ein lästiges und aufwändiges Übel ist.

Die Krönung habe ich am Wochenende entdeckt. Weil sogar auf der Insel der Sommer angekommen ist, schwirren die Briten nun an den Wochenenden aus in die Parks und Gärten für ein Picknick. Kein Problem für die Convenience-Engländer: Nun gibt es Becher in der Form von Weingläsern, in denen der Sauvignon Blanc bereits eingefüllt und mit Aluminiumdeckeln verschlossen ist. Eine Flasche Wein und Gläser mitschleppen? Offenbar outet man sich damit als Anfänger oder Ausländer.

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