Tag der Schotten

Schotten

Heute stimmen mehr als vier Millionen Menschen darüber ab, ob Schottland ein unabhängiger Staat werden soll. Auch hier lebende EU-Einwanderer dürfen mitentscheiden. Bei ihnen spielt vor allem die britische Europapolitik eine Rolle.

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Mit seinem deutschen Akzent von Tür zu Tür zu gehen und die Schotten davon zu überzeugen, heute für die Unabhängigkeit zu stimmen, geht Thomas Westen doch zu weit. „Das kommt nicht gut an.“ Trotzdem engagiert sich der 50 Jahre alte Deutsche leidenschaftlich für die Ja-Kampagne, die eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich wünscht. Er bleibt nur lieber im Hintergrund und übernimmt administrative Aufgaben. Seit fünf Jahren leben er und seine Frau, ursprünglich aus dem Großraum Bochum, in der Hafenstadt Kirkcaldy an der Ostküste. Westen gehört zu den mehr als 13.000 Deutschen, die beim heutigen Referendum aufgerufen sind, über die Zukunft Schottlands abzustimmen. Alle EU-Bürger über 16 Jahre, die ihren Wohnsitz in Schottland haben, sind wahlberechtigt. Damit dürfen rund 120.000 Menschen, darunter etwa 33.000 Polen, 4300 Franzosen und 3600 Italiener, mitentscheiden, wohin die Reise geht. Wohingegen gebürtige Schotten, die mittlerweile in England, Wales oder auch in anderen Teilen der Welt leben, kein Mitspracherecht haben. Das sorgt bei vielen für Verstimmung. „Ich bekomme das Argument oft um die Ohren gehauen und kann es auch verstehen“, sagt Thomas Westen. Trotzdem will er sein Kreuz unbedingt bei „Yes“ machen. Und das vor allem wegen der Europapolitik des Königreichs, auch wenn ihn die wirtschaftlichen Aussichten einer Autonomie in seiner Entscheidung bestärken.

Während in Westminster aufgrund des Erfolgs der EU-feindlichen Unabhängigkeitspartei Ukip zunehmend die Immigration von Europäern kritisiert wird, betreibe die Scottish National Party (SNP) „eindeutig eine pro-europäische Politik“. Aufgrund der wachsenden EU-Skepsis in der Bevölkerung hat der britische Premierminister David Cameron bei einem Sieg bei den Parlamentswahlen 2015 ein In-Out-Referendum in Aussicht gestellt. „Für jeden Europäer, der hier lebt, herrscht die Gefahr, dass wir unter Umständen Schottland verlassen müssen“, spricht Westen jene Angst aus, die viele Migranten umtreibt. Er befürchtet, bald ein Visum und eine Arbeitserlaubnis zu brauchen und das, obwohl er sich als Unternehmer bereits etwas aufgebaut hat, ein eigenes Haus besitzt, Schotten beschäftigt. „Ich sehe die Unabhängigkeit als den Weg vorwärts.“ Die Facebook-Seite „Germans for Scottish Independence“ hat mittlerweile mehr als 1200 Fans und auch wenn die Zahl der EU-Einwanderer relativ klein ist, „sie könnten das Zünglein an der Waage sein“, sagte der politische Historiker Sir Tom Devine britischen Medien. Thomas Westen glaubt nicht, dass es die Stimmen der Zugezogenen bedarf. „Yes gewinnt mit Sicherheit.“ Mittlerweile kenne er nur noch einen Menschen, der gegen die Abspaltung ist. Und der hat sich noch nicht einmal registrieren lassen.

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