Ungezäunt

Zaunkrise

Weil die Winterstürme Sichtschutzzäune in den Gärten vieler Briten weggeschwemmt haben, fallen Engländer nun in den Baumärkten ein, um sich mit Holzpaneelen auszustatten. Denn: Die Briten haben lieber ihre Ruhe vor ihren Nachbarn. Doch leider waren die Baumärkte nicht auf den Andrang vorbereitet, die Nachfrage ist um das Fünffache gestiegen. Eine Zaunkrise ist ausgebrochen.

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Der Schwarzmarkt für Zäune boomt im Königreich. Bis zu vier Mal mehr als gewöhnlich müssen Briten derzeit für ihren Sichtschutz bezahlen. Das ist ein Problem, sind die Menschen auf der Insel doch weniger dafür bekannt, intensive Nachbarschaftsbeziehungen zu pflegen. Der Engländer möchte für sich bleiben, vor allem jetzt, da sogar auf der Insel der Frühling Einzug gehalten hat und sich das Leben mehr und mehr im privaten Garten abspielt.

Die Stürme und die Flut, die in diesem Winter Großbritannien schwer getroffen haben, rissen, wehten und schwemmten viele der Zäune in den Vorgärten und Terrassen weg. Jetzt sind sie entweder nicht mehr da oder kaputt und modern im Garten vor sich hin. Viele Briten befürchten schon, sich im Extremfall mit ihren Nachbarn unterhalten zu müssen. Deshalb sollen schleunigst neue Paneelen her, aber nein, im Baumarkt herrscht Zaunnotstand. Weil die Nachfrage nach Holzpaneelen um das Fünffache gestiegen ist und laut Fachhändler noch immer weiter nach oben geht, haben manche Baumärkte sogar ihre letzten Restbestände für 80 Pfund, umgerechnet knapp 100 Euro, statt für den üblichen Preis von 20 Pfund, rund 25 Euro, verkauft. Medien berichten, dass Zäune mitten in der Nacht aus Gärten gestohlen wurden, selbst das Fachmagazin „Fencing and Landscaping News“ hat sich dem Thema angenommen und von Panikkäufen berichtet, die Auswirkungen auf die Branche hätten. Die Krise, so sagen Experten, sei schlimmer als im Jahr 2007, als orkanartige Stürme zum letzten Mal solch einen Nachfrageschub auslöste unter Hausbesitzern, die ihre ihre demolierten Zäune austauschen wollten. Nun hat das Unternehmen Forest Garden, der größte Produzent von Holzpaneelen im Königreich, reagiert. 100 neue Arbeitskräfte sollen den nationalen Engpass an Sichtschutzwänden beheben. Doch das wird dauern.

Als hätten die Menschen auf der Insel in diesem Jahr nicht schon genug durchgemacht, nun also diese Zaunkatastrophe, die der britische „Guardian“ als „traumatisch“ bezeichnet. Sich optisch nicht abschirmen zu können, geht definitiv gegen die Natur der Briten. Denn wenn das Zuhause eines Engländers sein Schloss sei, „dann ist sein Schutzzaun sein Burggraben“, stellte die Zeitung fest.

Die 30-jährige Emma Tidball aus Bournemouth im Südwesten Englands gehört zu den Opfern der Krise. Als sie eines Morgens aufstand und aus dem Küchenfester schaute, blickte sie direkt in den Garten ihres Nachbarn. Ein meterlanges Loch klaffte in ihrer Sichtschutzwand, sie wurde bestohlen. „Ich dachte: Wie lächerlich“, erinnert sie sich, aber die Britin musste kurze Zeit später feststellen, dass es nicht so einfach werden würde, die Paneelen zu ersetzen.

Eine Firma im Südwesten Londons hat deshalb auf ihrer Homepage in roten Lettern eine Warnung gepostet: „Aufgrund der hohen Nachfrage und der Knappheit an Zaunholz, ändern sich die Preise täglich“, heißt es da. Der Schwarzmarkt, er profitiert von der Gartenkrise.

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