Ein Prosit auf die Hoffnung

Taybeh Brauerei

Im muslimischen Westjordanland braut der Christ Nadim Khoury das einzige Bier Palästinas nach deutschem Reinheitsgebot. Aber nicht nur beim Bier orientiert er sich an Deutschland. Am Wochenende veranstaltet er zum 9. Mal das Taybeh-Oktoberfest.

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Der Bierbrauer Nadim Khoury kann es nicht leugnen. Er trinkt sein eigenes Bier mehr als gerne. Jedenfalls steht er bezüglich des Bauchumfangs vielen deutschen Brauern in nichts nach. Und doch unterscheidet ihn viel von seinen europäischen Kollegen. Nadim Khoury gehört gemeinsam mit seinem Bruder David die einzige Mikrobrauerei in den Palästinensergebieten. Genauer in Taybeh, dem letzten christlichen Dorf in den palästinensischen Autonomiegebieten. Es ist der höchste Punkt des Westjordanlands. Von hier aus sind die umliegenden muslimischen Dörfer und der Ring israelischer Siedlungen gut zu sehen. Bier zu brauen in einem muslimischen Staat, wo 99 Prozent der Bewohner laut Koran keinen Alkohol trinken dürfen? „Nicht alle halten sich daran. Die Menge, die ich verkaufe, kann nicht nur von dem einen Prozent Christen gekauft werden“, sagt Khoury.

Nadim Khoury stellt fünf Biersorten her, alle nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut. „Wir bringen die deutsche Tradition nach Palästina.“ Selbst der Hopfen stammt aus Bayern. Doch aufgrund der Besatzung ist es einerseits deutlich schwieriger geworden, Rohstoffe und Material ins Westjordanland einzuführen und andererseits hat er immer wieder Probleme, das Bier zu exportieren. Seine Transporter stehen oft stundenlang am Checkpoint bis die israelischen Sicherheitskontrolleure sicher sind, dass die Fässer voll mit Bier und keine Bomben darin versteckt sind. Aber der Mann mit dem schwarzen Schnauzer will nicht aufgeben: „Man muss hier investieren, nur das ist permanente Hilfe“, sagt er. Mittlerweile wird das Taybeh-Bier in vielen Bars in Israel, aber auch in Japan, Deutschland und Schweden getrunken, etwa zehn Prozent exportiert er. Kein Wunder, passe der Ortsname doch genau zu seinem Bier: Das arabische Wort Taybeh heißt übersetzt „köstlich“.

Im vorderen Teil der Brauerei stellt er aus, was er herstellt. Die Logos der Flaschen und Poster sind liebevoll gestaltet: „The finest in the Middle East“ oder „Taste the revolution“ steht da etwa drauf. „Schon vor 5000 Jahren wurde in Ägypten Bier gebraut“, begründet Maria Khoury, die Frau von David, den Slogan. In Zeiten des Arabischen Frühlings und der fortwährenden Besatzung habe der Spruch eine doppelte Bedeutung. Der ganze christlich-orthodoxe Familienclan ist in irgendeiner Weise in das Projekt verstrickt. Nadim Khourys Tochter Madees ist schon in den Betrieb eingestiegen, sie ist die erste arabische Bierbrauerin überhaupt.

Begonnen hat alles Anfang 1993, als Nadim Khoury mit seinem Bruder David und dessen Frau nach fast 20 Jahren in den USA wieder zurück in die palästinensische Heimat ging. „Es ist zwar schwierig hier, aber wir glauben an unser Land“, sagt Nadim Khoury.

Denn genau das ist sein Unternehmen. Er will nicht nur die Wirtschaft ankurbeln, Bier zu brauen ist für ihn auch ein politisches Statement. „Wir haben zwar noch keinen eigenen Staat, aber wir haben gutes Bier“, sagt der 54-Jährige. „Und irgendwann haben wir ja vielleicht unsere Freiheit.“ Das ist seine Hoffnung, dafür kämpft er mit seinem Bier. Er will, dass die Palästinenser stolz auf ihre Produkte sind. „Das haben wir schon geschafft“, sagt er ganz unbescheiden.

500 000 bis 600 000 Liter Bier braut er mit Hilfe seiner Tochter pro Jahr. Einige Fässer stehen in seiner Brauerei – bereit, am Wochenende getrunken zu werden. Denn derzeit ist jeder der Familie Khoury im Stress. Am Wochenende steigt das Oktoberfest in Ramallah. Etwas Zeit nimmt sich Nadim Khoury dennoch, um seinen Gästen Fotos von seiner Reise zum echten Oktoberfest in München auf seinem Smartphone zu zeigen. Er mit typisch bayrischem Trachtenhut, unter dem „Willkommen auf dem Oktoberfest“-Schild, mit vollem Maßkrug in der Hand. Der 54-Jährige strahlt wie ein Schuljunge. „Eine Frau trug zwölf volle Maßkrüge auf einmal“, sagt er und schüttelt beim Gedanken daran noch immer ungläubig den Kopf. Das könnten seine Angestellten niemals. Müssen sie auch nicht, denn sein Bier wird in Plastikbechern ausgeschenkt. Vieles ist anders, wenig ist gleich. Trotzdem: Sie sind stolz auf ihr Oktoberfest.

Nur die Musik ist jetzt schon importiert: Eine bayerische Band soll Stimmung im Westjordanland verbreiten. Im vergangenen Jahr kamen 16 000 Besucher zum Oktoberfest, dieses Mal rechnen sie mit noch mehr Gästen. Auch deshalb darf die Party nicht mehr im kleinen beschaulichen Taybeh stattfinden, sondern muss aus Sicherheitsgründen in ein Luxushotel nach Ramallah umziehen. Das Prosit auf die Hoffnung auf Freiheit wird aber auch da nicht fehlen – als Botschaft an die Welt.

3 Kommentare

  1. Super, Katrin, Oktoberfest all over the World.
    Wir waren im September in Bukarest auf dem Oktoberfest als Nichtgänger dieses
    Festes (waren noch nie in München). Die Leute waren gut drauf, Kinder im Kiga- GS
    Alter spakten mitten in der Woche um ca 23 Uhr auf der Bühne ab, die Eltern bierselig
    auf den Bänken. Da hatten wir Norddeutschen ein Problem. Liebe Grüße
    Gabriele

  2. Geniale Story..erinnert mich an Vietnam, da haben wir auch auch Fassbier ( frisch gezapft
    auf dem Gehweg) getrunken. Geht doch nichts über ein „kühles Blondes“ 🙂

  3. Hallo Katrin, nachdem Beate mir in der Sauna von Dir erzählt hat, möchte ich Dir kurz schreiben, dass mir die Berichte sehr gut gefallen,Informationen werden genau detalilliert rübergebracht. Den Bericht über das Bierbrauen finde ich sehr gut. Ein anderes Land von dem keiner vermutet, dass es das gibt. Super erzählt und leicht geschrieben. Ich wünsche Dir, dass Du noch andere Projekte findest. die so interessant sind.Klar das die Idee in Amerika gereift ist.
    Die anderen Beiträge muss ich erst noch in Ruhe lesen, um etwas darüber zu schreiben.
    Liebe Grüße Sigrun

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