Schokowerbung hinter Stacheldraht

Sainsbury's-Werbung

Im Gedenkjahr zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs präsentiert die britische Supermarktkette Sainsbury’s einen emotionsgeladenen Kurzfilm über den Weihnachtsfrieden, um für ihre Lebensmittel zu werben. Darf ein Werbespot das? In Großbritannien ist eine Diskussion entbrannt.

*

Die Szene beginnt mit dem Bild britischer Soldaten, die in der Kälte im Schützengraben ausharren. Geräusche von Artilleriegeschossen sind zu hören, es ist Nacht, Schneeflocken fallen. Einer der Soldaten öffnet ein Paket aus der Heimat und neben einem Frauenfoto fällt auch ein Schokoriegel heraus. Er lächelt, dann ertönt aus der Ferne das Weihnachtslied „Stille Nacht“, erst auf Deutsch, dann stimmen die Kameraden auf Englisch ein. Kurz darauf spielen Deutsche und Briten, die sich zuvor bekämpften, Fußball, unterhalten sich, feiern gemeinsam das Christfest. Das Ereignis im Jahr 1914 ist als „Weihnachtsfrieden“ in die Geschichte eingegangen, als Augenzeugen zufolge an zahlreichen Abschnitten der Westfront Soldaten ohne Befehl für eine kurze Zeit die Waffen niederlegten, um gemeinsam Weihnachten zu feiern.
Großbritannien gedenkt in diesem Jahr, in dem sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal jährt, besonders der Opfer der „Urkatastrophe“. Insgesamt wurden rund 17 Millionen Menschen getötet. Die Briten nennen ihn „Great War“, den Großen Krieg, der auf der Insel aufgrund der hohen Opferzahlen das bestimmende historische Ereignis des 20. Jahrhunderts darstellt. Deshalb finden seit Monaten in aller möglichen Form Veranstaltungen statt. In den vergangenen Wochen etwa ist der „Tower of London“ in einem Meer roter Mohnblumen aus Keramik ertrunken. 888.246 Poppies wurden im Gedenken an jeden im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten Großbritanniens und des Commonwealth „gepflanzt“. Es wirkte als liefe Blut aus dem historischen Gebäude. Ein atemberaubender Anblick:
poppies

Und nun reiht sich dieses gerade veröffentlichte Video in den Erinnerungsreigen ein. Eine Sache unterscheidet sich jedoch: Es ist Werbung der britischen Supermarktkette Sainsbury’s. Während auf dem Schlachtfeld die verfeindeten Lager aufeinander zugehen, schenkt ein Deutscher mit dem Namen Otto dem Briten Jim einen Keks. Jim übergibt ihm die anfangs gezeigte Schokolade. Am Ende des emotionsgeladenen Spots, das in Zusammenarbeit mit der Kriegsveteranen-Organisation „Royal British Legion“ entstanden ist, erscheinen die Worte „Weihnachten ist da, um zu teilen“, gefolgt von dem Logo von Sainsbury’s.

Hier ist der Werbespot zu sehen: http://www.youtube.com/user/Sainsburys

Im Internet ist nun eine Diskussion darüber entbrannt, wie weit Werbung gehen darf. Während die einen den Kurzfilm als „bewegendes Denkmal“ bezeichnen, kritisiert ein Rezensent des „Guardian“ die Ausbeutung des Ersten Weltkriegs für den kommerziellen Profit als „geschmacklos“. Doch das sei nicht einmal das Schlimmste, schreibt Ally Fogg. „Die Filmemacher haben hier etwas mit dem Ersten Weltkrieg getan, das vielleicht die gefährlichste und respektloseste Tat überhaupt ist: Sie haben ihn wunderschön gemacht.“

Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter scheiden sich die Geister über das sentimentale Video, das bereits millionenfach im Internet abgerufen wurde. „Die Sainsbury’s-Werbung sollte einen Preis gewinnen“, heißt es etwa von einem Briten. Dagegen schreibt ein anderer Nutzer, die Werbung „beutet schamlos einen Moment aufrichtiger Menschlichkeit während des Ersten Weltkriegs aus, nur um uns dazu zu bringen, mehr einzukaufen“. Ein Werbefachmann sagte in britischen Medien: „Sainsbury’s hat den Krieg der Werbespots gewonnen.“ Der Zeitpunkt sei perfekt. Hierzu sollte man wissen, dass die Briten jedes Jahr die Weihnachts-Werbungen der Handelsunternehmen John Lewis und Sainsbury’s mit Spannung erwarten. Die Hälfte des Verkaufspreises des im Video gezeigten Schokoriegels geht übrigens an die Kriegsveteranen-Organisation.

Sein Ziel hat der Spot bei aller Diskussion jedoch längst erreicht. Denn ob Zuschauer beziehungsweise Kunden ihn nun als geschmacklos oder berührend empfinden, aufsehenerregend ist er allemal.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.