Pubs gelten als die britischen Exportgüter schlechthin. Und noch immer halten die meisten „Public Houses“ an alten Gewohnheiten fest, auch wenn die Teppiche fast im Bier ertrinken.
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Die Briten und ihre Traditionen, sie strahlen Symbolkraft aus, das lässt sich kaum bezweifeln. Die roten Telefonzellen etwa, die Londoner Doppeldeckerbusse oder die schwarzen Taxis werden weltweit mit der Insel verbunden. Doch das Symbol Großbritanniens, das gleichzeitig das Exportgut schlechthin darstellt, ist wohl der Pub. Im Königreich wird gut und gerne viel getrunken, schon am frühen Abend versammeln sich die Menschen um die Zapfhähne, um ein Pint oder fünf zu bestellen. Milliarden von Euro werden insbesondere in Pubs versoffen. Die Welt macht es ihnen mit Vergnügen nach.
Klassisch kommt das Gasthaus mit schweren Holzmöbeln, dicken Teppichen, dunkel getönten Scheiben, einem Kamin und abgewetzten Sofas daher und während in Deutschland stets von irischen, schottischen oder englischen Pubs die Rede ist, leuchten mir die Begriffsabgrenzungen nur schwer ein. Gibt es einen Unterschied? Abgesehen von der Folkmusik, mal bestimmt vom Dudelsack, dann wieder von der Fiddle, tönen aus den meisten Trinkhäusern doch dieselben Pop-Klänge – hin und wieder überdeckt von lauter Fußball-Grölerei oder schlichtweg Betrunkenen-Geschrei.
Eigentlich ist das „Public House“, so die volle Bezeichnung, eine Erfindung aus dem 19. Jahrhundert, doch die Innenausstattung datiert aus der Antike. Damals suchten die durstigen römischen Besatzer einen Ort, um sich zu betrinken, also kamen Gasthäuser für Reisende auf. Weil meist ein Dorfbewohner allesamt zu Speis und Trank zu sich einlud, setzte sich der Begriff Public House durch. Die Gemütlichkeit ist bis heute geblieben und lockt Einheimische wie Touristen täglich zum Feierabend an die Theke, immerhin nimmt kaum jemand den Umweg vom Büro über das Zuhause in den Pub auf sich. Man trinkt direkt nach Dienstschlussa den Jobfrust weg oder stößt auf fette Boni an.
Dabei stellt sich immer wieder die Frage, wie viel Flüssiges solch ein abgewetzter Karo-Pubteppich in seinem Leben schon schlucken musste? Es müssen tausende Liter sein, aber wegen des schummrigen Lichts kann man den wahren Bodenzustand nur erahnen. Wahrscheinlich will man es auch nicht wissen. Ab dem dritten, fünften oder auch zehnten Bier, je nach englischer Trinkfestigkeit, wankt dann doch jeder zur Bar, bestellt weitere 0,57 Liter Alkohol und torkelt mit nur halbvollen Gläsern zurück, weil die Hälfte übergeschwappt ist. Sei’s drum. Hauptsache man hat eine gute Zeit, erklärt Wildfremden die Welt oder zumindest die Premier League und hört noch die Glocke zur „Last Order“ – der Aufruf an das Pubvolk zur letzten Bestellung. Obwohl die berüchtigte Sperrstunde bereits seit vielen Jahren aufgehoben wurde, halten die meisten Pubs noch immer die alte Regel ein. Tradition bleibt eben Tradition. Und so sind die meisten Briten am nächsten Tag zwar verkatert, aber haben immerhin ausgeschlafen.