Zwischen den Bäumen

Olivenernte 1

Viele Olivenhaine palästinensischer Farmer im Westjordanland liegen in der Nähe von israelischen Siedlungen. Gerade ist Erntezeit und ohne den Schutz des israelischen Militärs kommt es immer wieder zu Angriffen auf die Bauern und die Bäume. Dabei sind die Oliven eine wichtige Einnahmequelle der Palästinenser.

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Wenn Issa Shabanah auf seine Leiter steigt und die Äste der Olivenbäume schüttelt, kann er sie sehen: Die vier israelischen Siedlungen um das Dorf Sinjel im Westjordanland, unweit von Ramallah, wirken von weitem wie Zuckerguss auf den Hügeln. Doch die Siedler verbittern das Leben der Palästinenser zunehmend. Während die herunterfallenden Oliven auf die ausgelegten schwarzen Planen trommeln, werden immer mehr Häuser von Seiten der Israelis gebaut, ziehen immer mehr meist radikale Juden ins besetzte Gebiet und werden zu unerwünschten Nachbarn.
Gerade ist Erntezeit und einige palästinensische Farmer kämpfen noch immer täglich darum, ihre reifen Oliven einzusammeln. Wer wie Issa Shabanah seine Bäume auf Feldern inmitten des Dorfs hat, hat nur wenig zu befürchten. Doch seine Kollegen einige Meter weiter warten ungeduldig auf eine Genehmigung der israelischen Behörden ihre Ernte einzufahren. Es eilt, jeder Tag zusätzlich schadet den Oliven. Aber ihr Land und damit ihre Olivenhaine liegen direkt an den Siedlungsbauten und ohne den Schutz des israelischen Militärs gibt es Ärger. Ohne Erlaubnis keine Soldaten, die zwischen Siedlern und Bauern stehen. Ohne Soldaten keine Ruhe.
„Die Siedler werfen Steine, zerstören die Bäume und manchmal stehlen sie sogar die Oliven“, sagt Ayub Suid, der Bürgermeister des 8000-Einwohner-Dorfs Sinjel. Er sitzt an einem schweren Holzschreibtisch in seinem Büro, raucht eine Zigarette nach der anderen und trinkt einen Tee nach dem anderen. Ein eingerahmtes Foto zeigt Suid beim Händeschütteln mit dem Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas. Mit ihm bespreche er häufig die Schwierigkeiten mit den Siedlern, sagt Suid und bisschen Stolz schwingt in seiner Stimme mit. Doch geholfen haben die Gespräche bislang nicht. Noch immer sind die Bewohner Sinjels vom Schutz des israelischen Militärs abhängig.
Derzeit gibt es kaum ein anderes Thema als die Sorgen der Bauern, immerhin etwa 35 Prozent leben hier von der Landwirtschaft. Oliven sind häufig die einzige Einkommensquelle. Am Morgen erst wurde ein Farmer von seinen Zwangsnachbarn angegriffen und so schwer verletzt, dass er ins Krankenhaus gebracht werden musste. Die Nachricht verbreitet sich innerhalb von Minuten im Dorf.

Olivenernte 2

Issa Shabanah weiß auch schon davon. Er schüttelt erst den Kopf und dann wieder den Olivenbaum.
Seine Frau und die fünf Kinder helfen mit, am Rand haben sie eine rot-weiß karierte Decke ausgebreitet, auf der die Familie immer wieder Pausen macht, isst und wo die Kinder spielen. Die Olivenernte ist immer auch ein soziales Ereignis. Schon seit Jahrhunderten kommen Familien im Schatten der Bäume zusammen und helfen sich gegenseitig bei der Ernte ihres wichtigsten Produktes. Viele der Bäume sind einige hundert Jahre alt, manche sollen es auf 6000 Jahre bringen. „Der Olivenbaum ist ein symbolischer Baum“, sagt Shadi Mahmoud von der palästinensischen Nichtregierungsorganisation Parc, die im Bereich landwirtschaftliche Entwicklung und fairer Handel tätig ist. „Die Menschen erben die Bäume von ihren Vorfahren und die haben sie von ihren Vorfahren geerbt“, sagt er. Das verbinde. „Menschen sterben, die Bäume bleiben.“
Weil Olivenbäume nicht nur einen materiellen Wert darstellen, sind sie beliebte Zankobjekte zwischen palästinensischen Bauern und israelischen Siedlern. „Den Bauern, die im Besitz der Bäume sind, gehört auch das Land. Deshalb hassen die Siedler diese Bäume“, sagt Shadi Mahmoud.
Heute kommt der palästinensische Landwirtschaftsminister Walid Assaf in den kleinen Ort. Auch er hat lediglich Durchhalteparolen für die verzweifelten Bauern übrig. Immerhin, jeder Angriff, jeder Schaden von Seiten der Siedler werde dokumentiert. „Die Bäume waren vor den Siedlern hier“, schimpft er und kann doch nichts gegen die unliebsamen Nachbarn tun. Nur das israelische Militär kann einschreiten, doch das lässt sich Zeit.
„Der einzige Baum, der eine Identität hat, ist der Olivenbaum“, sagt er. Zudem sei der Olivensektor der wichtigste in der palästinensischen Landwirtschaft. 100.000 Familien lebten ganz oder teilweise von Oliven und deren Öl.
Einen kleinen Trost hat er für die palästinensischen Farmer: „Wir pflanzen 750.000 neue Bäume dieses Jahr.“ Wie viele schon gepflanzt wurden? Die Zahl weiß er nicht. Dafür kennt er die der bereits von den Siedlern gefällten Bäume: 4000 waren es ihm zufolge dieses Jahr bislang.
Trotz der Widrigkeiten wird eine Möglichkeit von keinem der Bauern in Betracht gezogen: Wegzuziehen. Die Bäume und damit die Probleme hinter sich zu lassen. „Wir gehen hier nicht weg“, sagt Bürgermeister Ayub Suid. „Das ist unser Land.“

Olivenernte 4

3 Kommentare

  1. Hallo Katrin, der Bericht zeigt mal wieder,dass die Menschen in diesem Jahrhundert es auch nicht schaffen, füreinander da zu sein. Jeder ist sich selbst am nächsten. Wieso kann man den Palästinensern nicht helfen, die Soldaten schicken und die Ernte beenden?
    Wenn die Oliven schlecht werden, ist der Verkauf, und somit das weitere Leben der Familien
    in Frage gestellt. Wir sollten dann auch bereit sein für Oliven nicht nur 1-2 € zubezahlen.
    Wenn Sie überhaupt zum Export kommen. Gruß aus der „schwäbischen satten Gesellschaft.“

  2. Nicht nur Fam. Shabanah ist davon betroffen..es trifft viele Familien die die Oliven zum Leben bzw. Überleben brauchen. Traurig, dass zwischen den Siedlern und Bauern keine Einigung möglich ist und solche Zwischenfälle (wie beschrieben) nicht vorkommen.
    Deine Geschichte macht mich traurig und nachdenklich.

  3. Hallo Katrin, Hajo ist schon wieder zurück und wir sehen uns die Tage hier in Berlin.
    dein Baum-Bericht ist diesmal sehr ausführlich. Bei und kam im Fernsehen, dass die Juden den Siedlungsbau gestoppt haben – für wie lange?
    Aber auch die Ängste der Israelis sind irgendwo verständlich, nachdem sich die Amis mit der neuen Regierung im Iran vielleicht einig werden.
    Wir sehen uns Ende des monats in Stuttgart?
    Alles gute und liebe Grüße
    Wolfgang sowie Astrid

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